So ein persönlicher Blog hat den Vorteil, dass man – gleichsam therapeutisch – auch einmal seine persönlichen Erlebnisse verarbeiten kann ohne gleich ein Glanzstück des investigativen oder politischen Journalismus anbieten zu müssen. Die folgende Anekdote kann pars pro toto aber durchaus als Parabel auf den Zustand der deutschen Gesellschaft dienen, die, wie wir gleich sehen werden, ziemlich auf den Hund gekommen ist.
Folgendes Ereignis spielte sich gerade bei meinem derzeitigen Lieblingschinesen in München ab, der ein All-You-Can-Eat Buffet inklusive Getränk zum für hiesige Verhältnisse sensationellen Preis von 7,80 Euro anbietet. Wichtig: In dem Laden herrscht Selbstbedienung und die Gäste wandern immer wieder mit ihrem Tablett zum Buffet. Links neben mir saß heute ein Gast dessen Hund andauernd an einer langen Leine im Gang herumwuselte. Während ich schon innerlich Wetten abschloss, wie lange es wohl dauern würde, bis ein Gast unfreiwillig Mr. Bean imitierend über das possierliche Tierchen stolpern würde, steuerte der chinesische Wirt auf den Gast zu und bat ihn, den Hund an die kurze Leine zu nehmen, weil sich schon Gäste beschwert hätten. Er erklärte ihm noch freundlich, dass er ihn jetzt zum dritten mal (an verschiedenen Tagen) aufgrund von Gästebeschwerden aufforderte und dass es wohl besser sei, den Hund vor dem Lokal anzubinden oder daheim zu lassen. Der Hundebesitzer reagierte natürlich empört, fügte sich aber mit einem trotzigen „In allen anderen Lokalen kann ich meinen Hund mitbringen. Aber gut, dann komme ich eben nie mehr hierher“.
Er vergaß selbstverständlich zu erwähnen, dass keines der anderen Lokale ein Buffet hatte. Wenn Gäste nämlich immer ein Tablett vor sich hertragen, sehen sie natürlich den Hund nicht. Wie mir der Wirt später erzählte, nahm er zu allem Überfluss den Hund immer auch noch mit ans Buffet. Die Unruhe des aufgeregten Tierchens mag der Tatsache geschuldet sein, dass er von seinen Spezies gehört hatte, dass er in einem chinesischen Lokal durchaus auch auf der Speisekarte landen könnte. Als waschechter Münchner vergaß der Gast im Übrigen nicht zu erwähnen, dass er mit sämtlichen Gastwirten der Strasse per Du war – inklusive einer Aufzählung der Namen der hohen Herren (in München zählen Wirte doch tatsächlich zur Prominenz – außer die chinesischen).
So weit so unerfreulich. Den Wirt plagte aber sein schlechtes Gewissen und er kam noch mehrfach an, um dem Hundebesitzer seine Position zu erklären und sich zu entschuldigen, dass er gar nicht anders handeln könne, wenn sich laufend Gäste beschweren. Ab diesem Zeitpunkt wandelte sich die Szenerie von einer bayerischen Komödie zu einem großdeutschen Drama. Jeanne D d`Arc trat auf den Plan. Eine blond toupierte Arzthelferin eilte heran, legte die Arme um den Hundebesitzer (was ich mir schon aus ästhetischen Gründen verbeten hätte) und herrschte den Wirt an: „Ich und unsere gesamte Arztpraxis werden nie mehr in Ihr Lokal kommen, Sie Hundefeind!“ Nun redeten der Hundebesitzer und Jeanne auf den armen Wirt ein, der in seiner Verzweiflung, die Arme herumwirbelnd wie ein Ninja auf Crack, immer nur herausbrachte: „Was soll ich tun, die anderen Gäste!“
Den Höhepunkt setzte dann die Kämpferin für Hunderechte. Vermutlich sah sie vor ihrem geistigen Auge schon wie ihr der Bundespräsident das Verdienstkreuz für Zivilcourage umhängt und holte zum entscheidenden Schlag aus: „Sie sind hier in Deutschland!“ Am deutschen Wesen soll wieder einmal die Welt genesen. An dieser Stelle murmelte ich meinem Nachbarn zur Rechten zu: „Naja, viel deutscher als der Chinese kann man sich kaum verhalten“ (Er begründete seine Position nicht nur mit der Gefahr für die Gäste, sondern auch der Hygiene, die urdeutschen Tugenden: Sicherheit und Sauberkeit!).
Die blondierte Gutfrau hatte also ihre hässliche Fratze gezeigt, in Ihrer Äußerung schwang mit: Was machst Du Chinese überhaupt hier? Bietest günstiges Essen an, vernichtest dabei deutsche Arbeitsplätze und hältst dich nicht an unsere (sie meint natürlich ihre) Regeln. Ich konnte das Bild des hässlichen Deutschen bei dem Wirt später zerstreuen, weil ich ihn meiner vollen Solidarität versicherte, aber man sah, der Vorwurf traf ihn schwer. Nach in Ihren Augen erfolgreich bestandener Schlacht stöckelte Jeanne zurück an Ihren Platz, wobei sie fast über den Hund stolperte. Sie konnte sich und ihre entgleisten Gesichtszüge gerade noch abfangen. Sie tätschelte dem Tier das Gesicht worauf dieser ihr fast in die Hand gebissen hätte. Der Hund – eine seltsame Mischung aus Spitz und Schäferhund mit Fledermausohren – war allerdings zugegebenermaßen so süß, dass ich ihn selbst beinahe gestreichelt hätte, als ich dreimal über ihn drüber steigen musste (das Buffet ist wirklich exzellent!).
Zu allem Überfluss erklärte mir mein Nachbar zur Rechten – selbst Betreiber eines Hotels – dass es in Deutschland sogar eine Verordnung gäbe, dass Hunde bei Buffets aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt seien. Ich kam aber schnell mit ihm überein, dass wir in Deutschland schon genügend Regeln hätten und der Wirt so etwas – wenn auch offensichtlich unter Schwierigkeiten – selber regeln könne. Dabei fällt mir ein, dass ich vergessen habe, ihm von der „Partei der Vernunft“ zu erzählen, aber wir sehen uns sicher an selber Stelle wieder. Abgesehen davon kann sich in Deutschland immer noch ein Gast die Wirtschaft, oder ein Wirt den Gast aussuchen, außer der Gast ist Raucher und in Bayern. Der arme Chinese hatte also nicht nur die Vernunft, sondern sogar den deutschen Staat auf seiner Seite! Leider bekam Jeanne d`Arc das nicht mehr mit, weil sie wütend das Lokal verließ.
Wie im Kleinen so im Großen
Was lehrt uns diese Posse? Wir sehen hier eine typische deutsche Eigenschaft am Werk inklusive einer völligen Verdrehung der Tatsachen. Der Hundebesitzer stilisiert sich als Opfer, obwohl er der Egoist ist. Er schleppt seinen Hund mit, gefährdet dadurch die Gäste, statt den Hund entweder so zu erziehen, dass er am Platz bleibt oder einfach draußen anzubinden. Sofort setzt stattdessen eine Solidaritätsbewegung mit dem (tatsächlich unschuldigen) Hund und dessen unachtsamen Besitzer ein. Das ist die Politik der Grünen, wunderbar zu beobachten am Atomstreit. Da fordert ein schreckliches Erdbeben über 30000 Opfer und deutsche Presse sowie Politik haben nichts besseres zu tun, als das vergleichsweise harmlose Atomunglück (Todesopferzahl im einstelligen Bereich) für eigene Zwecke auszuschlachten. Am deutschen Wesen soll wieder einmal die Welt genesen.
Selbst jemand, der – wie ich – kein Freund der Kernenergie ist, muss doch konstatieren, dass die Maßnahmen der Bundesregierung mit dem Wort Hysterie noch untertrieben beschrieben sind. In 8000 Kilometer Entfernung ereignet sich ein Erdbeben und wir schalten hierzulande die Kraftwerke ab. Erstens kann selbst HAARP auf vollen Touren (kleiner Gag für Insider) kein solches Erdbeben und auch keinen solchen Tsunami (außerdem stehen unsere Kraftwerk nicht direkt am Meer) in Deutschland auslösen. Zweitens sind unsere Sicherheitsstandards die höchsten der Welt. Die angeblich so zahlreichen „Störfälle“ sind doch nur darauf zurückzuführen, dass die Sicherheitsstandards so hoch geschraubt wurden, dass selbst ein Hustenanfall eines Technikers einen Alarm auslöst, denn er könnte ja aus Versehen auf den falschen Knopf drücken.
Der Gipfel des Pharisäertums ist dabei, dass wir jetzt Atomstrom aus dem Ausland, vor allem Frankreich wo 58 Kraftwerke stehen, importieren. Nach Lesart der Atomapokalyptiker würde ein Gau dort ja auch ganz Deutschland verseuchen. Welt Online Autor Thomas Kielinger (das Portal macht sich trotz offensichtlicher Zensur der Leserkommentare immer besser; ich denke die wütenden Leserkommentare zeigen hier immer mehr Wirkung, auch wenn viele Themen wie 911 noch ausgespart bleiben; in der Eurodiskussion zeigt das Magazin aber klare Kante) hat dafür den schönen Begriff der „Ohnemichels“ erfunden. Die Deutschen wollen alles zu gleich, billigen Strom und das Klima retten. Bei den Risiken heißt es aber: Ohne mich! Sollen das mal die Franzosen machen.
Das ist Rassismus 2.0, der auch in der Tirade unserer Jeanne d`Arc für Arme zum Ausdruck kommt. Aber für Grüne und Deutsche (was bald deckungsgleich ist) kommt der Strom ja aus der Steckdose. Wenn wir Atomkraftwerke abschalten, muss das durch Kohle und Gas ersetzt werden. Wind und Sonne sind bis zu zehnmal teuerer, verschwenden folglich mehr knappe Ressourcen und können die Grundlast ohnehin nie bereitstellen, weil sie nicht immer zur Verfügung stehen. Wer also an das absurde Treibhausmärchen glaubt und CO2 einsparen will, muss entweder Atomenergie befürworten oder die Klappe halten. In Wirklichkeit haben wir genügend fossile Brennstoffe für mehrere Menschheiten, aber das wird ja von denselben Medien verschwiegen, die sich jetzt am Unglück der Japaner laben. Immer natürlich mit der Gutmenschen Attitüde unserer blond toupierten Westentaschen-Jeanne d`Arc.
P.S. Ich gehe davon aus, dass wir in einer libertären Welt ohne Gewaltmonopol (das eine mögliche Unterdrückung dieser Technologien nicht aufklärt bzw. aus militärischen oder anderen Gründen geheim hält), ohne Patente (die von der Energieindustrie aufgekauft werden können) und Unmengen an freigesetztem privaten Kapital längst viel bessere Technologien hätten.
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Nachtrag: was ich noch vergaß, am Schluss verwendete sie noch das Lieblingsargument aller deutschen Gutmenschen und fragte: "Was machen Sie denn wenn mal ein Baby schreit? Werfen Sie das auch raus?" Schon war der arme Chinese nicht nur ein Hundefresser, sondern gleich noch ein Babyhasser! Unnötig zu erwähnen, dass in dem Lokal auch Babys waren ua. seine eigenen. Sie krabbelten allerdings nicht zwischen den Beinen der Gäste herum :)
Und wieso hast du dabei zugeschaut? Das ist ebenfalls typisch Deutsch. Ich hätte die ultralinke Hyperemanze zum Teufel gejagt und dem Hundebesitzer ein paar verlorene Hundehaare in sein Essen gestreut. Spaß ist was ihr draus macht.
Wo ist der Chinese? 7,80€! Wow!
Sehr schön, auch wenn ich in der Atomkraft-Frage doch etwas anderer Meinung bin als Sie, lieber Herr Janich! :)
http://www.freilich.ch/blog/?p=841
Ich würde mir bei all den Debatten mehr Sachlichkeit wünschen, einen transparenten
Faktencheck, weg mit Scheuklappen und Vorurteilen - und zwar auf allen Seiten.
An Stuttgart 21 hat man sehr gut nachvollziehen können, dass so etwas möglich und
sinnvoll ist.
Jeder rechnet sich nämlich seine Technik schön. Egal ob bei den regenerativen Energie-
erzeugern den Wirkungsgrat/Auslastung oder bei Atomstrom, wie günstig dieser sei.
Meistens liegt die Wahrheit doch irgendwo in der Mitte.
Atomstrom ist z.B. nur deshalb so günstig, weil viele Kosten auf die Gesellschaft
früher oder später abegwälzt werden, von einem GAU gar nicht zu sprechen. Und bei
einem GAU geht es auch gar nicht um die absoluten Todeszahlen kurz nach dem
Unglück, sondern um die Folgeschäden an Mensch und Natur über eine verdammt
lange Zeit. Die rechnet der Betreiber natürlich nicht ein in seine Bilanz.
Erneuerbare Energien werden sich ebenfalls weiterentwickeln und nicht auf dem
technischen Niveau stehen bleiben, wie momentan. Wobei hier aber ein weiteres
Problem hinzu kommt, dass der deutsche Michel zwar Ökostrom bevorzugt, aber
mehr Windräder oder Solarstromkraftwerke auch nicht in seiner Nähe haben will.
Für mich hat Ökostrom insofern einen Vorteil gegenüber Kernenergie/fossilen Energie, da die
Stromerzeugung transparenter/vorort stattfindet und man dadurch auch mehr Wett-
bewerb und Ausfallsicherheit erzeugen kann.
Ich kann nicht ohne weiteres überprüfen, wie viel Öl es gibt, wie viel neues entsteht in
welcher Zeit, ob mehr verbraucht wird, als gewonnen, etc. Ich kann mich hier nur auf
die explorierenden Firmen verlassen, in der Hoffnung, dass sie einem einen fairen
Preis anbieten. Wenn ich mir aber die Benzinpreisentwicklung so anschaue, habe
ich allerdings weniger das Gefühl...
Gruß
Florian
Sehr guter Artikel Herr Janich!
Mich regt es auch auf, dass die Menschen so intollerant geworden sind. Ich erwische mich auch immer wieder dabei, wie ich zu emotionalen Kurzschlussreaktionen neige, die andere Menschen beleidigen könnten. Aber mit ein bisschen mehr Vernuft in der Gesellschaft werden wir das ändern können!
oh backe ich war zwar nicht dabei aber irgendwie erscheint mir bei Ihrer erzählung direkt ein bild vor meinen Augen. Lassen Sie mich raten die hatte Jeans an und einen dicken ... (ups war das niveaulos?)
zum thema Atomstrom frag ich mich warum die angeblich so große Lobby nicht ein bisschen Öffentlichkeitsarbeit macht. Da kommt genau garnichts, stattdessen verbreiten die Wassermelonen pausenlos auf allen Kanälen ihre Angstmache. Die sollten mich mal ran lassen, seit dem ich Hartmut Bachmann Klimak.Buch gelesen habe, glühe ich quasi für Kernenergy. Alles andere ist Steinzeit. naja brauch ich hier ja nicht erklären.
MfG
Stefan Durst aka netterEddy
wenn die grünen die forschung (bei der wir weltweit führend waren) nicht massiv unterdrückt hätten. Dann wären zum B. mit der wiederaufbereitung der Brennstäbe ein großteil des mülls garnicht erst entstanden, die technologie wäre noch sicherer und effektiver, aber das wäre ja schlecht für die Grünen, denn die haben ja sonst keine themen. (ein schelm wer böses dabei denkt). Ausserdem hätten die Ammis wohl nochmehr Angst vor der Souveränität der Deutschen.
das ist oliver janich. bravo.
da ist er wieder, O. Janich in reinform - super ;-)